Händeliana

von Andrea Malaparte



Der Meister zur Blütezeit der Oper (Portrait um 1711)

Händel ist der größte Komponist, der je gelebt hat. (...) 
Ich würde mein Haupt entblößen und auf seinem Grabe niederknieen! 
(Beethoven)

So würde ich! So gilt mir Händel als ewiger Meister der Töne! Wie möchte ich an seine Kunst gereichen, doch eine winzige Vorschlagsnote nur bin ich in seiner Partitur! 
Wie hätte ich jenen großen Tag im Februar 1711 erleben mögen, da Händel mit dem Rinaldo das ganze jugendliche Feuer seiner italienischen Jahre in den musikalischen Kosmos Englands erhob. Was für ein Einstand! Welch heroischer Prunk! Kein Opernwerk mag leuchtender glänzen! Rinaldo! Rinaldo! 
Giulio Cesare,Tamerlano, Rodelinda, Alcina, Ariodante ... Unerschöpflich ist das Füllhorn seiner Musikdramen an Empfindungen und zwischenmenschlichen Leidenschaften. 
Wie verkannt wird immer noch der arme Genius, auf seine Oratorien beschränkt, die doch nichts anderes sind, als Larven seiner Opern! Eine Notlösung nur, da er sich eingeengt wußte zwischen dem Lechzen des stumpfen Viehs nach leichten Operetten  und dem Drängen puritanischer Berserker nach "musikalischer Läuterung". 
Puritanischer Starrsinn und religiöser Irrwitz waren seine Sache nicht. Ebensowenig das unbedarfte Konsumieren seichter Kost, wie es dem zeitgenössischen Konsumbürger entspricht. Epikuräisches, tief empfundenes Schwelgen ist der Odem seiner Töne! Tiefste Tiefen und höchste Höhen durchwandern wir nach seiner Lyra Klang. 

Händels Kunst und Die Anderen

Unerreicht steht Händels Meisterschaft, ein Werk aus melodiöser Anmut und animalischer Urkraft zu fügen. Kein anderer Komponist schafft dieselbe innige Verschmelzung, ja, Paradoxie fürwahr von bodenständiger Schwere des Klanggerüstes und luftiger Anmut der Melodien. Formale Disziplin ordnet sein Werk. 
Süß wie Honig fließen seine Arien und bleiben immer klar und fest. 

Wie flirrt es im Ohr der Bachs und Mozarts - zu viele Noten winden sich dort. 
Wie schwülstig tänzelt das immer gleiche, sinn-entleerte italienische Belcanto voller überflüssiger Verzierungen. 
Wie oberflächlich protzend kommt die französische Musik. Welscher Tand fürwahr! 
Wer lehrte den Glucks und Rossinis den Kontrapunkt? War es Händel´s Koch? 
Was brauchen wir Zwölfton-Akrobaten und Disharmonien? Musik soll zu Herzen gehen! 
Und was ist mit den zeitgenössischen Notenschmierern, die oberflächliche Ear-catcher werfen und ihre Musik nur auf der Registrierkasse schaffen? 

Die ewigen Meister

Zu wenig erforscht ist das Vorbild des großen englischen Meisters Henry Purcell auf Händels unermüdlich englisches Schaffen! Die Studie der englischen Landschaft, das Resultat der englischen Pastorale, urenglische Formen - die Hornpipe, der Trumpet Tune, der Country Dance - und schließlich Händels zahllose Gelegenheitskompositionen und Zeremonialmusiken atmen den Odem Purcells. 
Welch rasante Entwicklung nahm Purcells Schaffen in seinen letzten, raren Jahren von 1690 bis 1695! Quantensprünge fürwahr vom Geist der Spätrenaissance direkt in den Spätbarock. Die letzten Werke des britannischen Orpheus - The Tempest, Timon of Athens... - gereichen bereits an die Kühnheit Händel`scher Opernarien der Blütezeit von 1724/25. 
Wär Purcell nicht viel zu früh verblichen, wie wäre es Händel wohl  ergangen? Selbst unter den Geist Purcells mußte sich jeder englische Komponist noch bis in die Gegenwart fügen! 

Händels epikuräische Inbrunst weist - über Beethovens gleichsame Klangfülle und emotionelle Tiefe - in einem einzigen Roten Faden hin zu den Musikdramen Richard Wagners! Beiden zugrunde liegt des Orchesters Wallen, beiden gelingt die Vereinigung von Kraft und Sanftmut, beiden die Transposition individueller Regungen in spezifische Klangwelten. 
An die Arie Cara sposa aus dem Rinaldo in ihrer nahezu einmaligen Verdichtung von Form und Ausdruck  - nach Händels eigener Aussage eines seiner Meisterstücke - gelangt 150 Jahre später nurmehr Walthers gleichsam komprimierte Arie Morgendlich leuchtend im rosigen Schein aus Wagners Meistersingern. 

Purcell - Händel - Beethoven - Wagner... Welch hehre Kontinuität! 
So sei nunmehr geschlossen frei nach Wagner`s Worten: 
Ehrt Eure ewigen Meister - so bannt Ihr gute Geister! 

8 AM 03
 

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